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Ausgabe 05 | 2018 | 2. Jg.

Qualifying

Mein Leben war ein Muss

Bildungsodyssee bei Anerkennungsverfahren

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Gerlinde Lux berät Menschen mit einem außereuropäischen Studienabschluss (Lehramt), die im

österreichischen Bildungssystem Fuß fassen wollen.

„Seit zehn Jahren lebe ich in Öster-

reich“, erzählt Majlinda Saliaj, eine

albanische

Sekundarstufenlehrerin.

„Ich habe eine abgeschlossene Ausbil-

dung als Geographie- und Geschichts-

lehrerin und möchte diesen Beruf in

meinem neuen Heimatland ausüben.“

„Damit meine Ausbildung anerkannt

wird, muss ich meinen Studienab-

schluss anerkennen lassen. Diesen Pro-

zess nennt man in Österreich ‚Nostri-

fizierung‘. Zu Beginn stieß ich dabei

auf so große Schwierigkeiten, dass ich

aufgeben wollte. 2018 fasste ich neuen

Mut und stellte einen neuen Antrag.“

„Zuständig in meinem Fall ist die Päd-

agogische Hochschule Oberösterreich

und ich war froh, Fr.Lux auch von mei-

ner Ausbildung im damals kommunis-

tischen Albanien erzählen zu können,

während dieser von mir z.B. auchMili-

tärdienst und ‚freiwillige‘ Arbeit in der

Landwirtschaft und im Bergbau gefor-

dert wurden. Bildung und die Armee

waren früher in meinem Geburtsland

eng verbunden. Sogar hochschwangere

Frauen mussten im Rahmen des Stu-

diums mit einer Kalaschnikow in der

Hand trainieren.“

„Um studieren zu können, musste

man einen Notendurchschnitt von

mind. 1,5 aufweisen und es durfte in

der Familie keine regierungskritischen

Aktivitäten bzw. Bemerkungen gege-

ben haben.“

„Es gab keine Freiheit – alles war ein

‚Muss‘.“

„Als Studentin erlebte ich 1991 den

politischen Wechsel. Zusammen mit

Studienkolleginnen und -kollegen

setzte ich mich für die Demokratie

ein und begannen einen Hungerstreik.

Wir wurden zwangsernährt und erst

als ausländische Journalisten darüber

berichteten, wurden unsere Wünsche

(Demokratie, Freiheit, freie Wahlen,

Frauenrechte etc.) wahrgenommen.“

„Es ist nicht einfach, meinen Studie-

nabschluss in Österreich anerkennen

zu lassen. Die Unterstützung durch die

Pädagogische Hochschule Oberöster-

reich ist eine große Hilfe.“

Nostrifizierung von Studienabschlüs-

sen aus Drittstaaten – ein komplizier-

ter Prozess.

Eine Nostrifizierung ist die voll-

ständige Gleichstellung eines Studi-

enabschlusses aus einem Drittstaat

mit einem äquivalenten Abschluss

in Österreich. Sie wird an einer dem

Fachgebiet entsprechenden Univer-

sität bzw. Hochschule durchgeführt

– im Falle der Pädagogischen Hoch-

schule Oberösterreich den Bereich der

LehrerInnen-Bildung betreffend.

Anerkennungswerberinnen und -wer-

ber sind nicht nur mit langwierigen

und oft wenig verständlichen bürokra-

tischen Formalismen sondern auch mit

sprachlichen Barrieren und einer völlig

anderen Kultur und Lebensweise kon-

frontiert.

In den letzten sieben Jahren wurden

Nostrifizierungsanträge aus mehr als

zwanzig verschiedenen Ländern ein-

gebracht, die meisten aus Bosnien/

Herzegowina und der Ukraine, gefolgt

von Weißrussland, den USA, Serbien,

Südafrika, Irak, Brasilien, China, Iran,

Mexiko, Seychellen, Kosovo, Indien,

Kasachstan,

Ägypten,

Albanien,

Marokko und Indonesien.

Im Laufe eines „NO-Verfahrens“ ist

man mit teils komplizierten Rechts-

und Sachfragen konfrontiert, die in

enger, wertvoller Zusammenarbeit

mit ENIC NARIC Austria (eine Ein-

richtung des BMBWF) einer Lösung

zugeführt werden können.

Der Prozess erfordert ein sogenanntes

Auflagenstudium, dessen Anforderun-

gen individuell festgelegt werden. Um

zugelassen zu werden wird seit Sep-

tember 2018 ein ÖSD-Deutschzerti-

fikat C1 benötigt. Viele können diese

Anforderung zu Beginn nicht erfüllen.

Auch im alltäglichen Sprachgebrauch

und in Lehrveranstaltungen treten oft

Probleme auf, z. B. weil der Unterricht

manchmal nicht in ‚Standard Deutsch‘

erfolgt, oder Redewendungen bzw.

Formulierungen nicht bekannt sind.

Finanziell bedeutet ein Nostrifizie-

rungsprozess ebenfalls eine große

Herausforderung. Studierende aus

Drittländern müssen eine Studienge-

bühr in Höhe von ca. € 760,00/Semes-

ter bezahlen. In Einzelfällen können

Rektoren unter gewissen Umständen,

z. B. aus Wirtschaftsgründen, davon

befreien.

Oft sind viele Beratungsgespräche

nötig, bis abgeklärt ist, welche auslän-

dischen Lehrveranstaltungen ange-

rechnet werden können und welche

im Rahmen des Auflagenstudiums zu

absolvieren sind.

Viele „NO-Werberinnen“ leben auch

nach Jahren noch in zwei Welten – in

der der Familie, deren soziales Umfeld

noch vom Heimatland geprägt ist

und in der des aufnehmenden Lan-

des (Österreich). Oft vermissen sie

die soziale Anerkennung, sei es im

Umgang mit den Behörden, aber auch

im alltäglichen Leben.

All dies kommt in den Beratungen zur

Sprache, wofür ein gutes Vertrauens-

verhältnis notwendig ist. Die Bewer-

berinnen und Bewerber müssen das

Gefühl haben, dass ihnen wirklich

„zugehört“ wird und sie auf offene

Ohren und wertfreie Beurteilungen

zählen können.

Zusammenfassend kann festgestellt

werden, dass die Zahl der Nostrifizie-

rungsanträge aufgrund der stärkeren

beruflichen Mobilität von hochqualifi-

zierten Akademikerinnen und Akade-

mikern stark ansteigt.

Dr.

in

Gerlinde Lux ist Mitarbeiterin

im Institut für internationale

Kooperationen und Studienprogramme

an der Pädagogischen Hochschule

Oberösterreich.

„Es ist nicht

einfach, meinen

Studienabschluss in

Österreich anerkennen

zu lassen. Die

Unterstützung durch

die Pädagogische

Hochschule

Oberösterreich ist eine

große Hilfe.“

Fotos: Privat

Foto: Privat